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In Lissabon rasen Pferdekarren und Autos aneinander vorbei, vor Anker liegen Öltanker und Karavellen. Die großen Seefahrer der Frühen Neuzeit drängen sich mit Touristen neugierig durch die engen Gassen der Altstadt. Mit diesem karnevalesken Roman, in dem er den portugiesischen Nationalmythos gegen den Strich bürstet, hatte António Lobo Antunes 1988 nach sechs autobiographischen Büchern ein großes historisches Thema gefunden und sich endgültig international etabliert.
So wie die deutsche Sage will, daß eines Tages der im Kyffhäuser schlafende Kaiser Friedrich alles zum Guten wendet, so haben die Portugiesen niemals an den Tod von König Sebastian geglaubt. Er ward zwar nicht mehr gesehen, seit er 1578 in Afrika vergebens versuchte, die Moslems zum rechten Glauben zu bringen, aber noch heute harrt das fromme lusitanische Volk seiner Wiederkehr.
António Lobo Antunes greift diese Legende auf, und vor dem König läßt er zunächst die bedeutendsten Entdeckungsreisenden auf ihren Karavellen den Atlantik noch einmal überqueren, um zwischen Öltankern und Flugzeugträgern auf Lissabon zuzusteuern. Pedro Alves Cabral ist unter ihnen, den es genau 500 Jahre, nachdem er Brasilien entdeckt hat, ins Rotlichtviertel verschlägt. Vasco da Gama, der als erster das Kap der Guten Hoffnung umsegelte, muß seinen Unterhalt mit kleinen Gaunereien verdienen. Und Luís de Camões, dem wir das portugiesische Nationalepos verdanken, beginnt seine Lusiaden auf dem Rechnungsblock eines Kellners.
Alle diese Männer, die Angola, Brasilien und Moçambique für Portugal entdeckt haben, unterhalten sich mit den Menschen unserer Tage darüber, was aus den Neuen Welten geworden ist. Um diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen herzustellen, läßt Lobo Antunes mal die
Sätze tropisch und barock wuchern, mal sich knäueln wie die Lianen des afrikanischen Urwalds oder die Ornamente des manuelinischen Baustils, mal schildert er lapidar und sarkastisch den heutigen Alltag, dazwischen läßt er ironische und komische Blitze leuchten.
António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkriegs 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als dreißig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den »Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes«, den »Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft« und den Camões-Preis.