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Der Existenzkampf Israels geht dem von Europa voraus. Spätestens seit dem 7. Oktober ist der Kampf der Kulturen in einen Krieg der Barbarei gegen die Zivilisation übergegangen. Er wird nicht nur in der Levante, sondern auch in Zentralasien, der Sahelzone und in Europa ausgetragen. In diesem Sinne sind die Grenzen Israels auch die Grenzen Europas.
Auch die territorialen Ansprüche der Palästinenser sind vom Iran und seinen Satrapen längst in den Krieg gegen »die Ungläubigen« transformiert worden. Mit jeder Eskalation des Nahostkonflikts nehmen judenfeindliche Handlungen in Europa in einer Weise zu, wie sie seit 1945 nicht mehr zu beobachten waren. Offene Grenzen und eine zügellose Migrationspolitik haben bisher jede angemessene Gegenwehr gegen eine zunehmende Barbarisierung des öffentlichen Lebens verhindert. Die Frage lautet, ob die Europäer überhaupt noch zu kämpfen bereit sind. Sie scheinen oft kaum noch willens, sich als eigenen Kulturraum wahrzunehmen.
Die größte Schwäche Europas liegt in der Verleugnung der Gefahr durch den global operierenden militanten Islam. Israel ist aber nicht nur ein Menetekel. Es könnte auch ein Modell für eine noch mögliche Selbstbehauptung sein. Die Israelis verstehen sich nicht als »postheroische Gesellschaft«, sondern als Kämpfer um die Existenz ihres Landes.
Langfristig gilt es, die Kulturkriege in einen Kampf um die Zivilisation zu überführen. Diese Hoffnung fand in den Abraham-Accords zwischen Israel und einigen Arabischen Staaten ihren Ausdruck.
Islamisten bedrohen auch die säkularen Staaten in der islamischen Welt. Aus einem besseren Verständnis dieser globalen Bedrohung ergäben sich nicht nur neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Nahen Osten, sondern auch zwischen den Weltmächten USA, China und Russland. Bei aller Verschiedenheit sind sie an einer Stabilität der Zivilisation interessiert. In einer multipolaren Weltordnung müssten alle universalistischen Ansprüche in eine Koexistenz der Mächte und Kulturen überführt werden. Erst daraus würde dann auch ein Frieden im Nahen Osten möglich.
Chaim Noll, geboren 1954 in Ostberlin, seit 1984 in Westberlin, 1988 bis 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, 1992 bis 1995 in Rom, seit 1995 in Israel, seit 1997 in der Wüste Negev, Mitbegründer des Zentrums für deutsche Studien an der Ben Gurion Universität in Beer Sheva, Israel, dort von 1998 bis 2020 Writer in Residence und Dozent, zahlreiche Buchveröffentlichungen, Mitarbeit an deutsch- und englischsprachigen Medien. Lebt und arbeitet nahe Beer Sheva in der Wüste Negev.