Gerdien Jonker, Markus Schlaffke

Wie man Imperium buchstabiert

Das 'Tatarenlager' Weinberge 1914-1918. mit 102 z. T. farbige Abbildungen.
kartoniert , 164 Seiten
ISBN 3835358200
EAN 9783835358201
Veröffentlicht 22. Januar 2025
Verlag/Hersteller Wallstein Verlag GmbH
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Beschreibung

Nicht weit von Berlin spielte sich während des Ersten Weltkriegs eine Kolonialgeschichte zwischen Propaganda und Bildung, Kriegsgefangenschaft und Unabhängigkeitsbewegung ab.
Am 19. November 1914 riefen Deutschland und die Türkei gemeinsam zum -Jihad- gegen Russen, Briten und Franzosen auf. In Deutschland entstanden islamistische Propagandalager, in denen muslimische Kriegsgefangene für die deutsch-türkische Allianz im Ersten Weltkrieg gewonnen werden sollten.
Die 18.000 russisch-muslimischen Kriegsgefangenen im Weinberglager in der Nähe von Berlin bekamen diese Politik am eigenen Leib zu spüren. Ihre Bewacher versuchten sie mit einer ideologisch aufgeladenen -islamischen- Propaganda zu ködern. Die Gefangene entwickelten indes Strukturen, um unter dem Radar der offiziellen Einflussnahme westliche Bildung zu erwerben. So buchstabierten sie ihre Rolle in der imperialen Ordnung und bereiteten sich auf ihren Kampf um Unabhängigkeit vor.
Gerdien Jonker und Markus Schlaffke haben sich auf Spurensuche begeben: In den Archiven, aber auch vor Ort, wo jahrzehntelang nichts mehr an das Lager erinnerte und heute allein ein Gräberfeld dessen Existenz dokumentiert. Die Grundspannung dieser besonderen Geschichte wird im Buch eingehend ausgeleuchtet. Jonker und Schlaffke zeigen, wie rassenhygienische Auslese, antikolonialer Befreiungskampf und die Krisenerfahrungen der Moderne im Lager aufeinanderprallten und wie die Kategorien der Identifikation sich verhedderten.

Portrait

Gerdien Jonker, geb. 1951, forscht zur kollektiven Erinnerung Europas und ist dem Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa als Religionshistorikerin verbunden.
Veröffentlichungen u. a.: Religious Entanglements Between Germans and Indians, 1800-1945 (2023); On the Margins. Jews and Muslims in Interwar Berlin (2020), sowie 'Etwas hoffen muß das Herz'. Eine Familienbiographie von Juden, Christen und Muslimen (2018).