Hans-Georg Wendland

"Gehen, ging, gegangen" von Jenny Erpenbeck. Inhaltlicher Überblick und Analyse der Erzählstruktur

Ein Roman über Krieg, Flucht, Vertreibung und Fremdheitserfahrungen auf dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsthematik. 1. Auflage. Paperback.
kartoniert , 28 Seiten
ISBN 3668126607
EAN 9783668126602
Veröffentlicht Januar 2016
Verlag/Hersteller GRIN Verlag
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Beschreibung

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Deutsches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: Erpenbecks Roman reiht sich in eine jahrhundertelange Tradition der literarischen Darstellung von Kriegs- und Fluchterlebnissen ein. Als pensionierter Altphilologe hat Richard, die zentrale Figur, ein besonderes Interesse daran, in Vergangenem und Gegenwärtigem Gemeinsamkeiten zu entdecken. Außerdem sucht er neue Betätigungsfelder. Die Suche führt ihn schließlich zu den afrikanischen Flüchtlingen, die sich auf dem Alexanderplatz in Berlin versammelt haben, um anonym gegen ihre Abschiebung zu protestieren. In Homers "Odyssee" glaubt er einen Schlüssel für das Verhalten dieser Männer gefunden zu haben.
Man kann Richard als literarische Doppelfigur auffassen: halb sinnsuchendes Individuum, halb Symbolfigur, die versucht, zwischen verschiedenen Welten eine Brücke zu schlagen. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Flüchtlingen aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Richard nimmt Kontakt zu ihnen auf und befragt sie nach ihren Erlebnissen. Stellvertretend für viele andere werden in diesem Teil "Apoll" aus Niger, "Tristan" aus Ghana und der "Blitzeschleuderer" aus Nigeria vorgestellt. Richard unterstützt seine Schützlinge tatkräftig, kann aber nicht verhindern, dass eine ganze Reihe von ihnen abgeschoben werden.
Der Text enthält sich gegenseitig durchdringende auktoriale und personale Erzählanteile. Durchgehend wird das Präsens (Präsens historicum) verwendet. Viele Passagen werden aus der Sicht Richards erzählt. Sie stehen zumTeil in der erlebten Rede und erinnern an die Erzähltechnik eines "Bewusstseinsromans". Der Roman bietet keine geschlossene, kontinuierliche Gesamthandlung, sondern besteht aus miteinander verflochtenen Einzelhandlungen oder Handlungssträngen, die in Richard gespiegelt und durch collage- oder montageartig eingeschobene Zwischenteile angereichert werden. Die jungen Afrikaner berichten als Ich-Erzähler ihre bisherigen Lebens- und Fluchtgeschichten, wobei Richard versucht, gedankliche Verbindungslinien zwischen ihrer einstigen und der neuen Umgebung bzw. ihrer und seiner eigenen Gegenwart und Vergangenheit zu ziehen. Im Unterschied zum rein fiktionalen Erzählen wird das Faktische und Dokumentarische besonders hervorgehoben. Außerdem enthält der Text eine große Bandbreite von Gebrauchstexten wie Namenlisten, Einkaufslisten, Preisangaben, Notizen, Internettexte, Lexikoneintragungen usw., die den dokumentarischen Charakter unterstreichen.