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»Das hässliche Selbstporträt macht das eigene Leiden pathetisch. Kommt die Komik dazu, wird die Denunziation gemildert. Es entsteht ein Suspens, ein »Kippphänomen« zwischen Emotionen, zwischen Schrecken und Lachen. Das Komische im hässlichen Selbstporträt ermöglicht ein mit anderen teilbares Mitleiden in der Selbstbelustigung.
Meine gekritzelten Selbstverhunzungen haben nichts mit großer Kunst zu tun. Es sind Buntstiftbilder mit Filzstift. Diese Technik hat Folgen: Obwohl ich lieber Weißwein trinke, geben die Buntstifte da nicht viel her. Ich habe sie für mich gemacht in den Tagebüchern, die auch Zeichen- und Klebebücher sind. Deshalb waren sie nicht so leicht zu reproduzieren. Die Zeichnungen folgen der Chronologie der Tagebücher, die es seit den 90er Jahren gibt, so dass eine Geschichte entstanden ist. Erst spät habe ich angefangen, sie zu kopieren und zu verschicken. Die Reaktionen haben mir gezeigt, dass im scheinbar nur Privat-Obsessiven allerhand Teilbares mitgestaltet ist.«
Hermann Kinder, *1944 in Thorn. War von 1972 bis 2008 Germanist an der Universität Konstanz. Hat zahlreiche Prosabände veröffentlicht; zuletzt: "Porträt eines jungen Mannes aus alter Zeit" (2016) und "Die Herzen hoch und hoch den Mut. Das Familienalbum meines lutherischen Vaters 1942-1949" (2018).