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Ein radikaler Freiheits- und Verzichtsbegriff
Die Lage unserer Gesellschaft ist prekär. Die ökologischen Erschütterungen sind allgegenwärtig. Die bloße Fortsetzung unserer auf Expansion und Selbstentfaltung fixierten Lebensstile ist schon längst an eine Grenze gestoßen ist. Wie berauscht von uns selbst, verzehren wir gefräßig und haltlos unsere Welt. Dieses Projekt der Moderne hat sich überlebt. Der Verzicht auf Liebgewonnenes ist überfällig, aber mit Berufung auf die Freiheit wird gegen eine Richtungsumkehr angekämpft. Wir benötigen jedoch eine Sprache des Maßhaltens und der Genügsamkeit, die aus den ökologischen und sozialen Sackgassen herausführt und sowohl den Einzelnen als auch die Politik in die Pflicht nimmt. Wir sind keineswegs ohnmächtig und sehr wohl in der Lage, ein Leben zu führen, das Aussichten auf eine humane Zukunft bietet. Unsere Vorstellung von Freiheit benötigt aber dringende Korrekturen. Damit dieses Vorhaben gelingt, brauchen wir Mut zur Realität und die solidarische Bereitschaft, von einem falschen Leben Abschied zu nehmen und dem Bündnis von Verzicht und Freiheit beizutreten. Dann werden wir anders und besser frei sein.
Der Philosoph Jean-Pierre Wils denkt Freiheit darum neu: als die Fähigkeit, an einem überschaubaren Ort zu leben, an dem wir bleiben dürfen, in einem Provisorium, das uns auf lange Sicht die Gewähr bietet, auch in Zukunft die Freiheit nicht aufgeben zu müssen. Denn, so Jean-Pierre Wils, es gibt sie noch: die kleine Prise Hoffnung. Und er hat dafür gute Gründe, die mit fünf elementaren Aufgaben verbunden sind.
Jean-Pierre Wils, Jahrgang 1957, studierte Philosophie und Theologie in Leuven/Belgien und Tü-bingen. Seit 1996 ist er Ordinarius für Christliche Ethik, seit 2010 Ordinarius für Soziale, politische und Kulturphilosophie, seit 2015 Ordinarius für Philosophische Ethik und Kulturphilosophie an der Universität Nijmegen Niederlande. Wils veröffentlichte zahlreiche Publikationen und war, jahrelang Mitherausgeber der Zeitschrift 'Ethik und Unterricht' und Herausgeber der Essayreihe 'Disput'. Seit 2021 fungiert er als Herausgeber der 'Scheidewege. Schriften für Skepsis und Kritik'. Im Hirzel Verlag erschienen von ihm 'Sich den Tod geben. Suizid als letzte Emanzipation?' und 'Der Große Riss. Wie unsere Gesellschafts auseinanderdriftet und was wir dagegen tun können'.