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Die Idee zum Roman entstand 2007, als sich der französische Regisseur Jean-Marie Lejude mit der Bitte an MaÏssa Bey wandte, ein Stück über die "positiven Aspekte der Kolonisierung" zu schreiben, denn am 23.2.2005 verabschiedete das französische Parlament ein inzwischen aufgehobenes Gesetz, das die "positiven Aspekte der französischen Kolonialpolitik in Nordafrika" sowie die "Anerkennung der Rolle der ehemaligen Algerien-Franzosen", der sogenannten Heimkehrer, durch die französische Nation unterstreichen sollte. Nicht nur in Algerien sondern auch in Frankreich selbst löste dieses Gesetz eine Protestwelle aus, und verschärfte die ohnehin angespannten algerischfranzösischen Beziehungen weiter. Der Roman Madame Lafrance umfasst die 132 Jahre währende Geschichte Algeriens unter französischer Kolonialherrschaft. In 25 Bildern (Kapiteln) zeichnet die Autorin deren Hauptetappen von der Landung der französischen Armada am 14. Juni 1830 über den von Emir Abdel Kader geführten Widerstand bis hin zum blutigen Befreiungskrieg (1954-1962), das Wüten der Terrororganisation OAS und die Ausrufung der Unabhängigkeit, die mit einer Fluchtbewegung nahezu aller Algerienfranzosen einherging. Zwei Jahre lang dauerten die Vorarbeiten für das Werk Madame Lafrance. Das Ergebnis ist ein sprachlich kompakter Roman. Die Autorin stützt sich auf Tatsachenberichte, sie hat unzählige Zeitungsartikel usgewertet, Tagebücher und Briefe von zeitgenössischen Autoren gelesen, wie etwa Charles Baudelaire, Albert Camus, Jules Fery, Victor Hugo, Maupassant, Germaine Tillion, Kateb Yacine, um nur einige zu nennen. Drei wesentliche Etappen kennzeichnen die Geschichte: Zunächst das Sich-Fügen, die Resignation der einheimischen Bevölkerung, dann der massive Umschlag der Stimmung innerhalb der algerischen Bevölkerung nach der Niederschlagung des Faschismus in Europa, und des damit zunehmend offener zutage tretenden algerischen Nationalismus (dessen Auslöser vor allem die Massaker vom 8. Mai 1945 in Setif waren), und der am 1. November 1954 zum Ausbruch des Befreiungskrieges führte. Und zum Schluss der unter dem Druck der OAS entfachte Widerstand der Algerien-Franzosen, der Realität ins Auge zu sehen, die 1962 schließlich panikartig das Land über den Seeweg verlassen mussten. Neben einer Million "Pieds Noirs" verließen auch zehntausende "Harkis", also Algerier, die auf der Seite Frankreichs gegen die eigenen Landsleute kämpften, ihr Land für immer. Nicht zuletzt wegen der nach wie vor hohen Zahl algerischer Migranten in Frankreich stellen sich zahlreiche Verbände von Pieds-Noirs und Harkis auf die Seite rechtsextremer Kräfte, insbesondere der Front National von Jean-Marie Le Pen, die für eine sehr restriktive und fremdenfeindliche Migrantenpolitik plädieren. Der Roman stellt nicht zuletzt auch die Frage nach dem Vergeben, das der Protagonist, und damit die Autorin, für möglich, wünschenswert, ja dringend erforderlich hält.
Die Sprache von MaÏssa Bey ist sehr überzeugend. Mit kurzen, prägnanten, auch ironisierenden Sätzen aus der Perspektive des Kindes, das ob seines Alters und einer gewissen Naivität Perversionen und Grausamkeiten nicht benennen kann, entlarvt die Autorin unbarmherzig verschwiegene Tatsachen. Ihr Roman in 25 Kapiteln wird nicht zu einer Abrechnung, sondern zu einer lebendig erzählten Abfolge von Bildern, die einen tiefen Eindruck hinterlassen.
Maïssa Bey, deren bürgerlicher Name Samia Benameur ist, wurde 1950 in der Nähe von Algier geboren. Sie studierte Romanistik und arbeitete als Pädagogin. Im Kontext der blutigen Auseinandersetzungen, die ihr Land während des sogenannten schwarzen Jahrzehnts (1992-2002) überkamen, begann sie unter dem Namen ihrer Großmutter zu schreiben. Maïssa Bey, die sich selbst als "Araberin von Geburt, Kultur und Sprache. Und Muslimin. Tief geprägt von der muslimischen Kultur und Tradition", bezeichnet, ählt die Ausdrucksform der Literatur, um mehr zu sein als eine stumme, passive Zeugin im Angesicht ihrer ewaltsamen und herausfordernden Zeitgeschichte.