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Hans Bellmer (1902-1975), neusachlicher Zeichner im Umfeld des Berliner Dadaismus und Photograph des Surrealismus, schuf in den Jahren 1933 bis 1938 von Texten begleitete Photographien einer selbstgebauten Puppe. Sie stehen im Zentrum einer umfassenden Analyse der Darstellung künstlicher Menschenabbilder in der Malerei und Photographie der Zwischenkriegszeit von de Chiricos 'Schneiderpuppen' bis zu den Mannequins der Pariser Surrealismus-Ausstellung 1938.
Werkimmanente Untersuchungen der photographischen Serien entwickeln erstmals Ansätze zum Verständnis einer inneren Ordnung der Abfolge der einzelnen Exponate. Eine Dynamik künstlerischer Produktivität zeigt sich, die aus künstlerischem Scheitern und ihrer Kompensation entsteht. Ein Vergleich des Bellmerschen Anagramm-Begriffs mit der Technik des 'automatischen Schreibens' von André Breton, konturiert seine Position im französischen Surrealismus. Bellmers Puppendarstellungen, deren Rezeption jahrzehntelang von dem Schock, den die Thematisierung von Sexualität und Gewalt im Bild des weiblichen Körpers auslöste, verstellt war, erscheinen nicht mehr im Abseits des Surrealismus. Stattdessen führte Bellmers obsessives Festhalten am puppenhaften Objekt zu einer Steigerung der künstlerischen Mittel, in denen surrealistische Tendenzen mit denen des Dadaismus und der abstrakten Kunst konvergieren.
Im Kontext der Genealogie der Puppendarstellungen nimmt Bellmer eine radikale Position ein. Werkbezüge zu Arbeiten von Oskar Schlemmer, George Grosz, Oskar Kokoschka, Max Ernst und anderen zeigen die Relevanz des künstlichen Menschenabbilds in der bildenden Kunst zwischen den Weltkriegen. Als Transzendenzfigur, Mittel der Kritik und 'automatisch' gesteuerte Marionette des Unbewussten tritt sie vielgestaltig und schillernd in Erscheinung, bis die 'Puppe' schliesslich im Wechselspiel mit den hybrid werdenden Bildrealitäten von Photographie und Film aufgeht.