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Als Ryoko Sekiguchi den Küchenchef eines beliebten Bistros in einem Vorort von Tokio nach dem servierten Gemüse fragt, das schon nicht mehr zur Saison passen will, antwortet er: »Da ich sehr viel älter bin als Sie, weiß ich nicht, ob ich dieses Gemüse auch im nächsten Jahr noch genießen darf.«
Wie viele Jahreszeiten birgt ein Jahr, ein Leben, eine Küche? Was ist eine »sai sonale Frucht«? Hat auch ein Fisch »Saison«? Nagori, wörtlich »der Abdruck der Wellen«, bezeichnet in Japan die Wehmut der Trennung im Vergehen der Jahreszeit, Wehmut nach diesem letzten Genuss am Ende der Saison. Der Geschmack von Nagori ist der des bevorstehenden Abschieds und der Sehnsucht nach Wiederkehr. Dieses verblüffende und im Wortsinne geschmackvolle Buch ist nicht nur eine Einladung, die kunstvolle Poetik und Küche Japans zu entdecken. Es hinterfragt auch die unterschiedlichen, unser Leben bestimmenden Zeitlichkeiten und stellt uns die Lebensmittel als eigenständige Wesen vor. Die literarische, kulinarische und kulturelle Reise von Japan über Rom nach Paris zu großartigen Köchen, köstlichen Gerichten und unbekannten Zutaten ist eine kurze Ästhetik über die flüchtige Handschrift von Geschmäckern und Aromen in unseren Körpern und die Erinnerung in den Landschaften und nicht zuletzt in der Literatur.
Ryoko Sekiguchi, 1970 in Tokio geboren, lebt seit 1997 als Lyrikerin, Autorin und Übersetzerin in Paris. Für ihr japanisches Debüt 1988 erhielt sie den Preis Cahiers de la poésie contemporaine. Sie übersetzte u.a. Werke von Pierre Alferi, Atiq Rahimi, Jean Echenoz ins Japanische, sowie Yoko Tawada und Gôzô Yoshimasu, klassische japanische Dichtung und zahlreiche Mangas ins Französische. Da sie in beide Richtungen übersetzt (vom Französischen ins Japanische und umgekehrt), betrachtet sie ihre Arbeit immer als "von einer bestimmten Art des Zusammentreffens, der Zweiheit und Zweisamkeit durchzogen." Diese (mindestens - sie kann auch Persisch) doppelte Kultur ist auch in ihren eigenen Büchern deutlich zu spüren und führt zu einer besonderen Schreibweise. Sie kreiert ein Hybrides, Interkulturelles, in dem sich beide Welten zu einem Neuen verweben, das unseren (europäischen) Blick zum Beispiel auf die Zeit oder die Nahrungsmittel hinterfragt. Seit 2003 schreibt sie selbst auf Französisch und veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände und etliche Bücher Bücher über den Geschmack und dessen Verbindung zu den essentiellen Themen des Lebens: Präsenz, Liebe und Endlichkeit. Für Nagori gewann sie 2019 den Coup de coeur du prix Rungis des Gourmets 2019 und den Prix Mange, livre!
Weitere von ihr im französischen Verlag P.O.L. erschienenen Bücher: La Voix sombre (2015), Le Club des Gourmets et autres cuisines japonaises (2013) Ce n'est pas un hasard (2011) |Héliotropes (2005) Deux marchés, de nouveau (2005) Calque (2001).
Karin Uttendörfer arbeitet als Übersetzerin, Autorin und Herausgeberin in Berlin und Paris. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u. a. Eric Hazan, Jacques Yonnet, Marcel Aymé, Judith Perrignon und Mathieu Riboulet. 2017 war sie Mitglied der Jury für den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis. Für ihre Übersetzung von Jean-Baptiste Del Amos Tierreich wurde sie 2019 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.