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Ausgehend von der Behauptung, Sport habe eine positive Funktion in der Suchtprävention, wird in der vorliegenden Arbeit die Frage gestellt, welche Funktion Sport im Leben von Menschen haben muss, um süchtigen Verhaltensweisen vorbeugen zu können. Dazu wird das Phänomen Sucht zunächst in den Zusammenhang von alltäglicher Identitätsarbeit gestellt. Wesentlich in diesem „anthropologischen Verständnis“ ist die Dissoziation von Sucht und Krankheit und das Bemühen, nicht zwischen einzelnen Suchtformen zu differenzieren, sondern ihre Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Auf der Grundlage der anthropologischen Annäherung wird dann der Wandel der Suchtformen im Prozess der Modernisierung analysiert. Anhand charakteristischer Unterschiede in der Identitätsarbeit werden verschiedene Modernisierungsphasen voneinander abgesetzt, denen eine jeweils charakteristische Funktion der Sucht zugeordnet werden kann. In gleicher Weise werden Sport und Prävention in den verschiedenen Phasen untersucht. Dabei stellt sich heraus, dass die aktuellen Versuche, Sport als Inhalt von Suchtprävention zu begründen, auf überholten Annahmen basieren, sowohl bezüglich der Funktion des Sports, als auch bezüglich der Funktion süchtiger Verhaltensweisen. Es zeichnet sich ein Muster ab, Sport als „funktionale Alternative“ für präventive Zwecke nutzbar zu machen, das darauf hindeutet, dass Sport selbst Suchtpotentiale aufweist. Die Suchtprävention wird als jeweils spezifische Wirklichkeitsauffassung dechiffriert. Aus dieser Perspektive wird die Möglichkeit, dass Sucht als kulturell-gesellschaftlich bedingtes Phänomen heilbar sei, verworfen. Vielmehr dient die „Erfindung“ der Sucht der Aufrechterhaltung einer „kulturellen Selbsterzählung“, dass Identität individuell zu verwirklichen sei. Abschließend wird perspektivisch herausgestellt, in welche Richtung das Potential des Sports auszuschöpfen wäre, um Sucht – und mit ihr Prävention – vor dem Hintergrund postmoderner Pluralität aus den Wirklichkeitskonstruktionen von Individuen auszublenden.
Rezension zu Alexander March: Sport in der Suchtgesellschaft – Suchttendenzen im Sport. Prävention und Identität im Fluchtpunkt zweier Moderne-Konzeptionen
Alexander March deckt in seiner Studie einen engen Zusammenhang zwischen heutigen Sportpraktiken und suchtförmigen Verhaltensformen auf: Der heutige Lebensalltag ist „versportet“, und dies hat nicht, wie landläufig behauptet, eine suchtpräventive Wirkung, son-dern im Gegenteil, es werden mit dieser Tendenz suchtähnliche Bedürfnisse befördert. Der Autor stellt in einer eindrucksvollen Analyse bisheriger sozialer Modernisierungsschübe dar, dass sich in der Sucht eine misslingende Form der Identitätssuche verbirgt. Sucht wird hierbei als Abwehr von Sinnlosigkeitserfahrung und als Ausdruck eines erstarrten Ich-Bezugs gedeu-tet. Der Fokus der Untersuchung richtet sich hierbei auf die veränderte sozialpsychische Be-deutung heutiger Sportaktivitäten und die Selbstmissverständnisse gängiger Konzeptionen von Suchprävention mittels Sport. Die Entfaltung dieser Grundthese ist in ihrer Pointierung zeitdiagnostisch anregend und argumentativ überzeugend.
Prof. Dr. Thomas Ziehe, Universität Hannover