Wir lesen aus Passion. Hier findet ihr die Bücher, die wir besonders gemocht haben, und wir sagen euch auch, warum.
Mit vielerlei klassischen Motiven wartet Elizabeth O'Connor in ihrem Debüt auf: eine entlegene walisische Insel mit minimaler Einwohner:innenschaft und vormoderner Wirtschaft, eine junge Frau, deren Horizont das heimische Umfeld weit überschreitet, ein den Alltag durchschneidendes Ereignis und die darauf folgende Ankunft zweier Fremder.
Doch "Die Tage des Wals" (übersetzt von Astrid Finke) ist weit mehr als die übliche rite of passage oder der Stadt/Land-Gegensatz.
Es ist Ende der 1930er Jahre, Protagonistin ist die 18jährige Manod, die mit ihrem Vater und ihrer jüngeren Schwester Llinos lebt. Ein an der Küste gestrandeter Wal spült auch die beiden Anthropolog:innen Joan und Edward an Land. Sie sind aus England und wollen ein Buch über das Leben auf der Insel und die dortige Lebensweise und Gesellschaft schreiben. Manod, die fließend Englisch spricht, wird ihre Sekretärin und Übersetzerin; und diese Tätigkeit sowie die Bekanntschaft mit den beiden eröffnen ihr eine Perspektive jenseits der Insel.
O'Connors Sprache ist klar und reduziert, die Kapitel und Sätze sind kurz, dafür aber reich an Symolischem und Bildhaftem. Die tiefe Verwobenheit von Natur, Mensch und Tier ist omnipräsent, ebenso wie folkloristische Elemente. Nichts davon jedoch wird in irgendeiner Form exotisierend einerseits oder über die Maßen beengend andererseits dargestellt. Das Leben auf der Insel ist, wie es ist. Für einige ausreichend, für andere eben nicht. Die wahre Problematik, und damit könnte das Buch zeitgenössischer kaum sein, ist der naturalisierende Blick der Wissenschaftler:innen auf das Inselleben, wie auch Manod bald feststellt.
Viel viel mehr ließe sich sagen, für den Moment muss reichen:
"Die Tage des Wals" ist ein sehr gutes Buch!
zum Produkt € 24,00*
Seltsame Dinge geschehen im Hause Usher und als Alex Easton, ein Soldat im Ruhestand, die Nachricht erhält, dass seine Jugendfreundin Madeline Usher im Sterben liegt, eilt er augenblicklich zum entlegenen Ort des Geschehens, um ihr und ihrem Bruder Roderick beizustehen. Was er dort vorfindet, lässt ihm die Nackenhaare zu Berge stehen und ihn nachts kein Auge zu tun...
Eine schaurig schöne Neuerzählung von Edgar Allan Poes Klassiker, die, zugegebenermaßen, spannender daherkommt das Original. Ein marodes Haus an einem gespenstischen See, umgeben von einer Flora und Fauna, die vom Teufel besessen zu sein scheint, sorgen für eine wunderbar bizarre Atmosphäre, die auch schon vorher vom alptraumhaften Gemälde des Coverumschlags (unter dem sich ein weiteres optisches Schmankerl verbirgt) fleißig angestachelt wird.
Dieser herbstliche Schauerroman ist auch durchaus ein Highlight für ein Sommernachtgewitter. Und für die weitere Versorgung an atmosphärisch-klassischer Grusellektüre für die unumgängliche kalte Jahreszeit, vor eurem Kamin auf dem Bärenfell, wird es im November eine zweite Poe-Adaption von T. Kingfisher geben.
zum Produkt € 20,00*
Sich explizit erinnern zu können, was man am 15. März 2011 so gemacht hat, und was das überhaupt für ein Tag gewesen ist - das können vermutlich nicht viele von sich behaupten.
Am 15. März 2011 begann, als Folge von Protesten, die sich im Zuge des Arabischen Frühlings ereigneten, die Syrische Revolution.
In ihrem Debütroman "Da waren Tage" erzählt Luna Ali die Geschichte von Aras. Als Kind mit Mutter und Schwester nach Deutschland gekommen hat Aras eine Identität, die sich vor dem Hintergrund des Krieges in Syrien und im Verhältnis zu den sich spätestens ab 2015 etablierten/enden Kategorien neu konstituiert und anfühlt. An nicht mehr als 9 Tagen in Aras' Leben spielt sich das Geschehen des Romans ab, jeweils am Jahrestag der Revolution, zwischen 2011 und 2019.
Kind politisch aktiver Eltern und selbst aktivistisch tätig schafft es Aras an keinem dieser Tage zu einer Kundgebung. Er sitzt auf dem Amt um die Einreise von Bekannten zu klären, hält eine Rede vor Genoss:innen des Flüchtlingsrats, er fährt zur Staatsexamensprüfung und aufs Mittelmeer.
Aras studiert Jura und der juristische Blick auf den Krieg in Syrien und die in Deutschland ankommenden Menschen prägt die Erzählung. Oder vielmehr verdeutlicht die Erzählung wie sehr die vermeintlich klaren Gesetze einen adäquaten Blick auf den Terror verunmöglichen. "Die Absurdität des deutschen Jurastudiums spiegelte in Aras' Augen die Absurdität des Gesetzes an sich wider. Das Gesetz starb immer dann, wenn es niedergeschrieben wurde, denn eigentlich lebte es von der Anwendung." (S. 153) Vor dem Hintergrund des konkret und am eigenen Leib Erlebten und des abstrakten Diskurses verhandelt der Roman - eruiert Aras - kontinuierlich neu, was es bedeutet Subjekt oder Objekt einer Situation zu sein.
Der Roman ist Roman und politischer Essay und experimentelle Montage und alles in allem ein sehr sehr schönes, kämpferisches und lehrreiches Buch, das es schafft, trotz allem den Blick nach vorne gerichtet zu halten auf all die "politischen lebenden und toten Gespenster und Geschwister", wie es in Luna Alis Dank heißt.
zum Produkt € 24,00*
Die 16-jährige Lena Palmer verschwindet spurlos. Drei Tage später taucht sie in einem verstörend brutalen Video wieder auf, welches in atemberaubendem Tempo viral geht.
BKA-Kommissarin Yasira Saad bleibt wenig Zeit, denn schon gibt es erste gewalttätige Demonstrationen in deutschen Städten. Kann Yasira die Täter verhaften, bevor der Lynchmob zuschlägt und der Rechtsstaat zu wanken beginnt?
Der neue Roman des Genrewunders Marc-Uwe Kling ist extrem empfehlenswert!
Achtung!
Explosiv!
Enthält Spannung, Drama, Science-Fiction, Politik, Thriller, Brisanz, Aktualität und Spuren von Humor.
Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen.
zum Produkt € 19,99*
Ansel Packer sitzt für den Mord an mehreren Frauen in der Todeszelle. Noch in seinen letzten Stunden ist er davon überzeugt, missverstanden zu werden, und er ordnet seine Notizen, seine Theorie, in der er der Welt seine Sicht der Dinge darlegen will, keine Rechtfertigung seiner Taten, keine Entschuldigung an die Opfer und ihre Familien, sondern seine Wahrheit zu Gut und Böse.
Bei diesem Werk handelt es sich um einen sehr untypischen, aber um so bewegenderen Thriller. Der Leser begegnet Ansel und erfährt in Rückblicken alles über sein Leben. Gleichzeitig hören wir die Perspektiven der Frauen, die mit Ansels Leben eng verknüpft sind und deren Leben sich durch die Begnung mit ihm für immer verändert haben. Ferner steht über allem die Frage: Was wäre, wenn ... ? Eine Grundsatzfrage, die sich jeder irgendwann stellt und nur einen bewegenden Aspekt des Buches behandelt, der beim Leser nachhallt.
Ein vielschichtiges Buch, das nicht in die Thriller-Schublade passen will. Handelt es sich doch eher um eine intelligente Charakterstudie mit vielen philosophischen Ansätzen. Auch das erzähltechnische Arrangement überzeugt, sowie, nicht zu vergessen, die herausragende Übersetzung von Andrea O´Brien. Eine Geschichte, die eine*n nicht kalt lässt.
zum Produkt € 13,00*
Steven Smith ist nach elfjähriger Haft frisch aus dem Gefängnis entlassen. Sein Leben "davor" existiert nicht mehr. Alles, was er noch hat, ist ein entfremdeter Sohn, von dessen Existenz Steven erst seit kurzem weiß, und die Erinnerung an einen Tag in seiner Kindheit, an dem er mit seiner Lehrerin Miss Trout und vier anderen Kindern aus dem Kurs zur Schreib- und Leseförderung einen Ausflug gemacht hat, von dem Miss Trout nie zurückgekommen ist. Seine Erinnerungen sind bruchstückhaft, doch er ist sich sicher, dass es etwas mit dem Buch zu tun haben muss, das er dereinst gefunden und mit in den Unterricht gebracht hat. Ein Kinderbuch der geächteten Autorin Edith Twyford, verschrien für den belanglosen Inhalt, den grausigen Stil und die in jeder nur möglichen Hinsicht diskriminierende Sprache. Miss Trout, so meint Steve sich zu erinnern, war der Überzeugung, dass Twyford im Zweiten Weltkrieg eine Spionin des MI6 gewesen ist und mithilfe ihrer Bücher codierte Botschaften übermittelt hat. Smithy begibt sich auf die Spur des Codes und findet tatsächlich nicht nur immer mehr Hinweise und gar Gewissheiten, sondern trifft auch auf eine ganze Reihe Menschen mit ähnlichem Ziel. Um seiner Bewährungshelferin Maxine zu zeigen, dass er doch eine ehrliche Haut ist, zeichnet Smithy seine Suche auf: Mittlerweile des Schreibens und Lesens mächtig, übersteigt die Erzählung dieser Suche, verwoben mit seiner Lebensgeschichte, doch seine Fähigkeiten und so nimmt er alles per Sprachnachricht auf.
Ein ganz außergewöhnlicher Krimi, beinahe ausschließlich bestehend aus transkribierten Sprachnachrichten, ist Janice Hallets "Der Twyford Code"; das heißt viel eher müsste die Übersetzerin Stefanie Kremer als Urheberin der Deutschen Ausgabe genannt werden, denn was an Arbeit in die Umwandlung des Codes von einer Sprache in die andere geflossen sein muss, kann nur erahnt werden. Herausgekommen ist ein ebenso spannendes wie anspruchsvolles Lesevergnügen, das die innere Codeknackerin und Detektivin weckt. Beinahe noch wichtiger aber ist, wie Hallett eindrucksvoll und nachvollziehbar den Weg eines halt- und orientierungslosen Jugendlichen auf die schiefe Bahn schildert, und ganz nebenbei die Wichtigkeit der Unterstützung von Inhaftierten im Allgemeinen und die niedrigschwellige Zugänglichkeit von Literatur im Besonderen betont.
Ausgezeichnet mit dem British Book Award 2023
zum Produkt € 24,00*
Sisterhood is powerful! Die Erkundung eines politischen Prinzips
Ob #metoo oder die Proteste im Iran: In den letzten Jahren gab es zahlreiche Anlässe, bei denen Frauen füreinander eintraten. Ein Prinzip, das schon die Feminist:innen der 1970er-Jahre propagierten - nicht umsonst lautete einer ihrer bekanntesten Slogans: Sisterhood is powerful! Aber Schwesterlichkeit ist mehr als Networking, mehr als weibliche Solidarität. Es ist eine politische Praxis. Julia Korbik setzt sich mit dem Prinzip der Schwesterlichkeit auseinander, will verstehen, wie sie aussehen kann - und was sie verhindert. Sie hinterfragt den Feminismus der letzten Jahre und erforscht dieses Thema anhand persönlicher Anekdoten, Beispiele aus Literatur, Popkultur, Geschichte und Gesellschaft inspirierend, nuanciert und neugierig.
zum Produkt € 25,00*
"Wir gingen weg, um zu suchen, was wir gleichzeitig verloren. Eine Heimat."
Es geht um Kathleen, ein Kind der Wende, die längst erfolgreich in London lebt und arbeitet, die versucht, ihrer Herkunft, der ostdeutschen Provinz, zu entkommen. In zehn Heimfahrten begleiten wir sie, lernen die kennen, die geblieben sind, erfahren, wie sich Kosakenberg und seine Bewohner verändern und wie doch letztlich alles gleich bleibt.
Eine berührende Geschichte um Heimat und Verlust, aber auch das Glück eines anderen Lebens.
»Sabine Rennefanz erzählt davon, wie es ist, wenn man auf der Reise zwischen alter und neuer Heimat sich selbst nicht nur findet, sondern sich auch verlorengeht. Ein sehr berührendes, kluges und nachdenklich machendes Buch.«
Jenny Erpenbeck
zum Produkt € 22,00*
In der bayerischen Provinz will man 1932 noch nichts von dem wissen, was in München vor sich geht. Hier nehmen die Bürger die Dinge noch selbst in die Hand. Als bestialische Morde das Dorf erschüttern, gilt es für den Bürgermeister und seinen Gemeinderat, die Gräueltaten schnellstmöglich aufzuklären.
Während man zunächst vermutet, dass ein Wolf im nahen Wald sein Unwesen treibt, verdichten sich bald die Gerüchte, dass es sich um einen menschlichen Täter handeln muss. Mit dieser Erkenntnis geraten Dinge ins Rollen, deren Kontrolle allmählich aus den Fugen gerät...
Beim Lesen musste ich mir stets ins Gedächtnis rufen, dass das Geschehen nicht im Mittelalter spielt. Für mein Hirn war das wirklich schwer zu verarbeiten. Die lebendigen und wirklichkeitsnahen Schilderungen des sukzessiven, durch Gerüchte angefeuerten Gesinnungswandels unter den einfachen Dorfbewohnern, machen in ihrer erschütternden Brutalität vor den grausamsten und deprimierensten Szenen keinen Halt. Darüber hinaus macht die Nähe zur Realität diesen Roman so genial erbarmungslos. Und ebenso schwer wie die Schuld auf den Schultern der Dörfler, war es, dieses Buch aus der Hand zu legen. Auch das Ende dieses Werkes, welches sowohl Krimi als auch Roman ist, lässt aus meiner Sicht eigentlich keinen Interpretationsspielraum. Fesselnd und unbebedingt lesenswert!
zum Produkt € 14,00*
Eine Auszeit tief in den Bergen Norwegens soll Eriks kleiner Familie helfen nach einer Tragödie wieder zusammenzufinden. Seiner Tochter Sofia hat er einen mehrtägigen Skiausflug versprochen, doch als sie zu ihrem Abenteuer fernab der Zivilisation aufbrechen, ahnt er nicht, auf was er sich da eingelassen hat. Als Vater und Tochter eines Nachts Schutz bei Bekannten in einer abgelegenen Hütte suchen, werden sie heimliche Zeugen eines blutigen Verbrechens und müssen durch Eiseskälte fliehen.
Dieser Umstand entwickelt sich schnell zu einer rasanten Verfolgungsjagd durch Schnee, Kälte, Sturm und Dunkelheit. Das Spannungslevel ist durchweg so hoch, dass Sofia und Erik, wie auch dem Leser, kaum eine Atempause gegönnt wird.
Die Story überzeugt mit viel Tempo, Action und vor allem mit einer lebendig und bildhaft beschriebenen eisigen Kulisse.
Ein atmosphärischer Pageturner, bei dem man das Bedürfnis hat, die warme Decke so richtig unters Kinn zu ziehen.
zum Produkt € 12,00*