Judith und Hugo wollen ihre Ehe retten. Der Wunsch, sich vom Alltag entlastet aus festgefahrenen Rollen zu befreien und neu zu begegnen, führt sie nach Mexiko, ins "Nuevo Gran Palacio". Auch wenn Judith aus ökologischen Gründen erst gewisse Vorbehalte gegen die Reise hat, findet sich das Paar mit ihrer zehnjährigen Tochter Ava im genannten Ferienressort wieder, in dem für einfach alles gesorgt ist und kein Wunsch offen bleibt. Scheinbar. Denn bereits am zweiten Tag legt sich ein unangenehmer Geruch über die Wohlfühl-Welt: Ein Wal ist in der Nähe des Hotels gestrandet und explodiert.
Man ahnt es von Anfang an: Die Rechnung geht nicht auf. Die Sehnsucht nach Tapetenwechsel, die Utopie, das Leben könne anders und einfacher sein, zerschlägt sich schnell. Die infantilisierte Gästeschar, die von der Hotelcrew mit verschiedensten Entertainment-Angeboten bis hin zum Drogenkonsum gepampert wird, spiegelt unsere zutiefst menschliche Überforderung, in jeder Sekunde erwachsen sein und verantwortlich handeln zu müssen, um partout unser Scheitern zu verhindern. Judith und Hugo und ihr Begehren geraten auf Abwege.
In "Der Duft des Wals" kommen die Hauptfiguren multiperspektivisch in einem wiederkehrenden Reigen zu Wort. Unter anderem auch Ava, die Tochter des Paars, ein Mädchen mit ausgeprägter Beobachtungsgabe, die alles, was sie sieht, mit ihrem Etch a Sketch festhält und mehr versteht, als man ihr vielleicht zutrauen würde.
Zwischen mißglücktem "Traumschiff" und David Foster Wallace` "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft bitte ohne mich" angesiedelt, schildert der kanadische Autor Paul Ruban in "Der Duft des Wals" anhand einer Beziehungs- & Familiengeschichte die touristische (Un)Kultur in ihrem ganzen absurden Wahnsinn bis zu ihrem Zusammenbruch. Und das einfach extrem unterhaltsam, voll von prickelnd vibrierender Atmosphäre, mit Flow und Drive und manchmal Slapstick. Auch die Nebenfiguren, der Hotelpage Waldemar und die Flugbegleiterin Celeste gelingen lebendig und geben dem Plot einen Rahmen, der auch die klassistische Struktur der Tourismusindustrie mitliefert. Ein gesellschaftskritischer Feelgood-Roman - ja, das geht!
zum Produkt € 22,00*
"Lebensversicherung" führt uns tief hinein in eine westdeutsche Dorfkindheit und -Jugend mit Fertighäusern und Buswendeschleife. Im Mittelpunkt steht eine Ich-Erzählerin, aus einer Familie von hessischen Versicherungsverkäufer*innen stammend und Ende der Achtzigerjahre geboren. Klingt vielleicht erstmal nicht so interessant. Ist es aber. Denn diese Protagonistin hat sich von ihrer Familie emanzipiert und lebt als Schriftstellerin in Berlin. Gedanklich kehrt sie als erwachsene Person zurück zu ihren familiären Wurzeln, um sich ihres Lebens zu versichern, und zwar nicht mit Zertifikaten und Verträgen für den Notfall, sondern mit ihrer eigenen Lebendigkeit und den Fragen: Wo komme ich her? Wer bin ich? Wie bin ich so geworden? Was ist mir wichtig? Wo will ich hin? Deutlich wird der Versuch, zu ordnen, trotz oder wegen der eigenen Angst und Traumatisierung den eigenen authentischen Platz im Leben zu finden, anzukommen. Die Ich-Erzählerin prüft ihre Erinnerungen wie (Versicherungs-)Unterlagen und fragt sich: Habe ich alles berücksichtigt, was für mein Leben von Belang ist? Habe ich alles "dabei"?
Kathrin Bach hat in ihrem Roman ungewöhnliche, originelle Ausdrucksweisen gefunden: Die Kapitel des Buches sind kurz gehalten und tragen kommentierende Überschriften, manchmal sind es auch einfach Wortlisten mit Piktogrammen. Eingestreut sind außerdem Beschreibungen verschiedener Versicherungen aus Verkaufsprospekten. Die Autorin kommt mit ihren Geschichten auf den Punkt und ist oft sehr witzig und charmant, geht aber auch in die Tiefen und Untiefen hinein. Zum Beispiel wenn sie über die Nähe zu ihrer Oma F berichtet oder über die Emetophobie, Angst vor Erbrechen, an der die Ich-Erzählerin leidet und wogegen sie lange Zeit immer und überall bestimmte Medikamente in einem Zip-Beutel dabei hat. Überhaupt: Es kann ja immer was passieren, einem selbst und den Nächsten.
Da die Deutschen als "Versicherungsweltmeister" gelten, geht uns dieses Thema eigentlich alle an: Warum ist unser Sicherheitsbedürfnis so groß? Wieso können wir nur leben, wenn wir Gefahren verdrängen? Was ist uns Sicherheit wert und - gibt es sie überhaupt?
Zwischen anekdotischem Erinnerungsbuch, Psychoanalyse und Selbstfindung gelingt Kathrin Bach eine ganz eigene und sehr kurzweilige Prosaform. Ein feines, zartes, starkes Buch - für alle mit Neugier, literarischer Entdeckungsfreude und ästhetischem Anspruch.
zum Produkt € 24,00*
Grace‘ Mutter steht die Beförderung kurz bevor und deshalb spart sie an allen Ecken und Enden. Selbst für einen neuen Mantel für Grace reicht es nicht mehr. Deshalb zieht Grace alleine los und findet in einem Second-Hand-Shop ein wunderschönes grünes Exemplar, das sie geradezu magisch anzieht. Doch als sie den Mantel zum ersten Mal anzieht, wird ihr schwindelig und sie wird von nun an von Visionen heimgesucht. Durch die Augen eines Mädchens sieht sie die Vergangenheit. Wie das Mädchen lebt und lacht…Und dann wie sie getötet wird. Gibt der Mantel Hinweise auf den längst vergangenen Mord? Oder bildet sich Grace das alles nur ein? Sie forscht mit ihrer besten Freundin Suzy nach und ist schon bald auf einer heißen Spur…
Ich hab das Buch geliebt! Richtig gut geschrieben. Viel Spaß beim Lesen!
zum Produkt € 18,00*
Im neuen Band „Die Spurenfinder und das Drachenzepter“ von Marc-Uwe Kling & seinen Töchtern geschrieben, geht es um den Spurenfinder Elos von Bergen und um seine beiden Kinder Ada und Naru, die nun auch Spurenfinder werden wollen. Die Spurenfinder bekommen einen Brief von König Fredlaff, in dem steht, dass das Drachenzepter gestohlen wurde und dringend zurückgeholt werden muss. Der beste Freund von Elos von Bergen wurde erpresst, das Drachenzepter in seinem Holzbein aus der Schatzkammer von König Fredlaff zu schmuggeln: Jemand hat seine Tochter Yvette in den Todesschlaf versetzt. Dies ist ein Schlaf, aus dem man nicht mehr aufwacht und nach einer Woche stirbt. Nur Traumflüsterer können andere in den Todesschlaf versetzen und wieder daraus erwecken.
Der zweite Band der Serie „Die Spurenfinder“ ist noch spannender als der erste. Am Anfang braucht man ein klein wenig Geduld, aber dann wird es sehr aufregend und unterhaltsam und auch witzig. Das Buch eignet sich für Jungen und Mädchen ab 9 Jahren zum Vorlesen und ab 10 Jahren zum alleine Lesen. Die Illustrationen fand ich auch gut. Ich habe die 368 Seiten nur so verschlungen.
zum Produkt € 21,99*
In seinem neusten Buch „Russische Spezialitäten“ skizziert Dmitrij Kapitelman anhand einer Einwanderungsgeschichte die aktuelle Zerrissenheit vieler Osteuropäer. Der Text gewährt einen kleinen Einblick in die komplexen Gefühlswelten vom Krieg betroffener Menschen und ist damit gleichzeitig eine eindrucksvolle Auseinandersetzung mit wichtigen Themen wie Identität, Heimat und der Auswirkung von Propaganda.
Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie zieht von Kyjiw nach Deutschland, wo sie einen russischen Spezialitätenladen namens „Mагазин“ (Magasin) eröffnen. Der Laden floriert und wird zu einem Ort der Nostalgie für die in Leipzig lebenden Nashi (Die Unseren /Gleichgesinnte), ein Stück Heimat in der Fremde. Doch der Beginn des Krieges wirft seine Schatten auch auf den Familienbetrieb und zieht einen großen Riss durch die Familie. Dima, der das Weltgeschehen zunehmend mit kritischem Blick betrachtet, steht im Gegensatz zu seiner Mutter, die nur noch russisches Staatsfernsehen konsumiert. Als russisch sprechender Ukrainer zwischen Wahrheit und Propaganda, Heimatliebe und Scham gerät Dima in eine Identitätskrise. Der Konflikt mit seiner uneinsichtigen Mutter führt Dima schlussendlich zu der Entscheidung persönlich nach der Wahrheit zu suchen.
Kapitelman, selbst 1986 in Kyjiw geboren und im Alter von acht Jahren nach Deutschland emigriert, ließ seine eigenen Erfahrungen zweifellos in seinen Roman einfließen. Trotz der ernsten Thematik und der aktuellen weltpolitischen Lage zeichnet sich das Buch durch subtile Situationskomik und verspielte rethorische Mittel aus.
Für einen schnellen Lesegenuss zwischendurch eignet sich dieses Buch allerdings trotzdem nicht - vielmehr bleibt die Geschichte lange im Gedächnis und regt vor allem zum Nachdenken an. In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge immer mehr verschwimmen, bietet Kapitelman einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion über Identität, Medien und die Auswirkung politischer Narrative. Es zeigt eindrucksvoll, wie einseitiger Medienkonsum das Denken und Handeln von Menschen beeinflussen kann und sensibilisiert den Leser immer genauer hinzuschauen.
zum Produkt € 23,00*
Als Hanna vier Jahre alt ist, trifft ihre Mutter der Schlag; der Vater hatte die Familie schon vorher verlassen. Hanna und ihre ältere Schwester Liese werden von der Halbschwester Rose und ihrem Mann Walter aufgezogen, die in Magdeburg eine Blumenhandlung führen, für welche Hanna als Heranwachsende mit viel Fantasie und Geschick Sträuße bindet. Nach der Liebesheirat mit dem Eisenbahnversicherungsvertreter Karl im Jahr 1933 heißt Hanna Krause und eröffnet einen eigenen Blumenladen im Knattergebirge, dem eng bebauten und dicht bewohnten Armenviertel Magdeburgs. Ein elegant gekleideter Herr erscheint an ihrem 25. Geburtstag in ihrem Geschäft, überreicht ihr eine Fotografie des Gemäldes „Blumenvase in einer Fensternische“ von Ambrosius Bosschaert und bittet sie, den abgebildeten Strauß genau so zu binden. Das Bild des niederländischen Künstlers und die Aufforderung, danach einen Strauß zu gestalten, wird zum Lebensmotiv Hannas, das sie auch im Alter noch beschäftigt, nachdem sie ihren Blumenladen verloren, sechs Kinder geboren hat und während der DDR als Kranführerin arbeitete. Die Blumen, mit denen sie auch spricht, bleiben ihre Begleiter, ihr Rückzugsort, an dem sie Kraft schöpft. „Schwebende Lasten“ ist wie der Strauß von Bosschaert strukturiert, jedes Kapitel wird mit der Beschreibung einer der abgebildeten Blumen eröffnet.
Annett Gröschner erzählt das Leben ihrer Hauptfigur Hanna Krause lakonisch-trocken, darunter aber liegen Poesie und ein tiefes Einfühlungsvermögen. Wie die kurze Synopsis am Anfang des Buches aufzeigt: Vor dem Hintergrund zweier Weltkriege, zweier Dikaturen und zweier Demokratien steht Hanna unbeirrt ihre Frau, hält durch, arbeitet, schultert ihre Last, die immer schwebend präsent ist. Auch wenn Hanna als Individuum dargestellt wird, ist die Protagonstin auch eine Hommage an all die namenlosen Frauen, die im 20. Jahrhundert ohne Kenntnis von Methoden zur Geburtenkontrolle unter prekärsten Umständen ihre Kinder geboren und aufgezogen, ihre Familie durchgebracht, abgetrieben und Nachwuchs verloren haben. „Schwebende Lasten“ ist ein feministischer Roman.
Den Boden für das Geschehen um Hanna bildet Annett Gröschners immenses Wissen über die Historie Magdeburgs, das sie nicht etwa hier und da in den Text mit einwebt, sondern das ganz selbstverständlich immer präsent ist. Ihr wirklichkeitsgesättigter Realismus erzählt einige Episoden der Stadtgeschichte, die so noch nie geschildert wurden und verdeutlich sowohl das universelle Ausgeliefertsein der Frauen an die gesellschaftlichen Ereignisse wie auch ihre Handlungsspielräume. Er begleitet den*die Leser*in vom Dritten Reich über die DDR bis zur globalisierten Welt. Das macht den Roman zusätzlich spannend. Ganz große, bewegende Literatur und eines der wichtigsten Bücher in diesem Frühjahr!
zum Produkt € 26,00*
Was würde man gerne dieser einen wichtigen Person sagen, die man vor vielen Jahren kannte? Lucy Fricke macht aus einem allseits bekannten Kopfkino eine melanchonisch-witzige Geschichte. Jacob hat schon so einige zarte Bande in seinem Leben geknüpft und wieder verloren und aktuell fühlt er sich mit seinen 50 Jahren wie ausrangierte alte Ware. Kinder oder Ehefrau hat er nicht und beruflich ist er als Regisseur auch nicht mehr gefragt, weshalb ihm an seinem Geburtstag nicht zum feiern zumute ist und er lieber in Ruhe gelassen werden will. Doch seine älteste Freundin hat andere Pläne mit ihm. Ein ausgeklügeltes Geschenk lockt ihn aus dem Haus und hinein in ein Abenteuer. Die vermeintlich zufällige Begegnung mit seiner Vergangenheit ermöglicht ihm einen frischen Blick auf seine derzeitige Lebenssituation und hilft ihm zu realisieren was im Leben wirklich wichtig ist.
"Das Fest" ist ein unterhaltsamer, kurzweiliger Roman mit einem angenehm ruhigen Schreibstil und guten Dialogen, voll von jugendlichem Leichtsinn und tränenreichen Wiedersehen. Ich möchte diesen wunderschönen Roman jedem wärmstens ans Herz legen, ob nun als ein Häppchen für zwischendurch oder als wertschätzendes Geburtstagsgeschenk, denn diese Geschichte erinnert einen daran, dass man in keinem Alter, und besonders nicht mit fünfzig, aufhören muss sich jung und lebendig zu fühlen.
zum Produkt € 20,00*
Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet, als sie ein Haus in Savignac-de-Miremont in der Dordogne kaufte. Zugegeben, für den Swimmingpool hatte Laurence sich um die Baugenehmigung herumgemogelt. Aber dass die polnischen Bauarbeiter beim Aushub der Grube gleich eine Höhle finden würden, darin ein Skelett aus dem Jungpaläolithikum, also der jüngeren Altsteinzeit!
Adrienne Célarier, Paläontologin, ergreift die Chance und reißt das Forschungsobjekt mit List und Geschick an sich. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode wird das Alter der zwei vorgefundenen Skelette und der Höhle definiert: Sie stammen aus dem 35.000 Jahre zurückliegenden Aurignacien, in dem der aus Afrika stammende Homo Sapiens auf den Neandertaler traf und diesen ablöste.
Der Spannungsroman "Finger ab" von Hannelore Cayre wechselt zwischen Kapiteln, in denen die Geschichte von Oli, der zum Skelett gehörenden Homo Sapiens-Frau, erzählt wird und Einschüben, die den Vortrag der Paläontologin zur feministischen Urgeschichte wiedergeben. Oli ist eine Rebellin, eine geschickte und dynamische junge Frau, die aus der ihr traditionell zugedachten Rolle und den damit verbundenen Ritualen ausbricht und Jagen geht. Sie erfindet gemeinsam mit ihrer Schwester Wilma eine äußert effektive Pfeilschleuder. Da Frauen sich aber auf das Pflanzen sammeln, kochen, Pfeilspitzen behauen, Kinder betreuen etc beschränken sollen, wird Oli zur Strafe vom männlichen Gruppenoberhaupt verstümmelt: Er schlägt ihr zwei Finger ab. Die Abdrücke von verstümmelten Frauenhänden finden die Archäologin und ihr Team wiederum auf den Wänden der freigelegten Kaverne.
Die Geschichte rund um Oli wird zum Leben erweckt und liest sich enorm auf- und anregend. Die Protagonistin ist eine Indiviualistin, wie es sie in dieser Zeit nicht geben durfte, eine starke weibliche Persönlichkeit, die ihr Innenleben intensiv wahrnimmt und metaphysisch reflektiert. Im Gegensatz zu Ihren Schwestern Rava und Wilma hält sie sich von Männern fern und hat noch keine Kinder geboren. Nach dem Aufeinandertreffen mit Neandertalern gerät das Gleichgewicht ihrer etwa zwanzig Personen umfassenden Gruppe aus der Balance: Als neun Monate später eine Homo Sapiens-Frau ein Kind zur Welt bringt, das physiognomische Züge eines Neandertalers trägt, geht den Frauen ein Licht auf und sie begreifen den Zusammenhang zwischen Geschlechtsakt und Schwangerschaft. Die Gruppe versucht, Polygamie durch Paarbeziehungen zu ersetzen, wodurch die Männer aneinandergeraten und es zu Tötungen aus Eifersucht kommt. In dieser fragilen und gefährlichen Situation nimmt Oli Abschied und wandert mit ihren Habseligkeiten alleine zum Atlantik...
Die französischen Autorin und Strafverteidigerin Hannelore Cayre hat sich in umfassender Lektüre etwa der Schriften der italienischen Anthropologin Paola Tabet mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu dieser archäologischen Kultur befasst. Und sie hat dann entschieden, den Frauen des Aurignacien eine Sprache zu geben, die Welt- und Selbsterfahrung so umfassend wiederspiegeln kann wie unsere heutige. Das funktioniert hervorragend.
zum Produkt € 15,00*
Dieser autofiktionaler Briefwechsel ist vieles zugleich: Freundschafts- und Liebesgeschichte, aber auch das Teilen von Flucht- und Familiengeschichten, Rassismuserfahrungen und der Blick in die Zukunft.Vanessa Vu und Ahmad Katlesh lernten sich beim Tango kennen und blieben durch Email-Korrezpondenzen verbunden, in denen sie sich anekdotisch über ihre Kindheit, Jugend, migrantische Identität und den aktuellen Rechtsruck schreiben. Vu ist Journalistin bei der ZEIT, die Tochter vietnamesischer Einwanderer und verbrachte ihre Kindheit in einem Asylbewerberheim. Katlesh ist ein syrischer Schriftsteller, der nach Jordanien fliehen musste und über ein Stipendium nach Deutschland kam. Seine Briefe schrieb er in seiner Erstprache, auf Arabisch, die für die Leser*innen von Günther Orth übersetzt wurden. Vu und Katlesh entschieden sich auf den Sprachen die Briefe zu verfassen, in denen sie sich am wohlsten fühlen, wodurch nichts vom originären Sinn der Briefe verloren gehen sollte. In den Briefen steckt so viel politische Schlagkraft, sie sind ein sich Wehren gegen Zuschreibungen und voller ehrlichem Mitgefühl für das Gegenüber.
Poetisch gespickt mit Lyrik und Einblicken in die ursprünglichen Briefe Katleshs auf Arabisch. So so gut!
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In „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ werden wir mitten hineingeworfen in das Leben von Juno, einer Tänzerin und Performancekünstlerin, die mit ihrem an Multipler Sklerose leidenden Mann, dem Schriftsteller Jupiter, in einer Altbauwohnung in Leipzig lebt. Die Mittfünfzigerin Juno kümmert sich um die Daseinsvorsorge für Jupiter und ist mit unzähligen Erledigungen belastet, dennoch findet sie Zeit, täglich Ballett zu trainieren und ihre künstlerischen Projekte voranzutreiben. Jupiter versucht so viel wie möglich selbstständig zu schaffen.
Aus eskapistischen Motiven, der Sehnsucht nach Zerstreuung, aber auch, weil sie nachts nicht schlafen kann, antwortet Juno Love-Scammern, die sie über Instagram anschreiben. Junge Männer aus fernen Ländern versuchen über fingierte Liebesangebote Kontakt zu ihr aufzubauen mit dem Ziel, sie finanziell auszubeuten. Juno dreht den Spieß um und erfindet ihrerseits verrückte Lügengeschichten über sich. Die Chats sind für sie eine amüsante Abwechslung. Dann enttarnt sie einen Love-Scammer, bleibt aber dennoch in Verbindung mit ihm. Benu kommt aus der Nähe von Lagos, Nigeria. Mit ihm entspinnt sich ein Dialog über ihren sich sehr stark voneinander unterscheidenden Alltag, wobei Juno der Einfachheit halber Jupiter verschweigt. Sie streifen in ihrem Chat Themen wie Vodou, den Film „Melancholia“ von Lars von Trier, griechische Mythologie, die schwierige wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in Nigeria und die Sternbilder, die sie beide am Himmel sehen können. Juno recherchiert über und reflektiert die Themen Love-Scamming, die Kluft zwischen Globalem Süden und Globalem Norden, den Kolonialismus, Ableismus und mehr.
Zuhause hat Jupiter ein Insektenhotel bestellt und schon bald bekommen sie ein Haustier, eine Wildbiene. Mit Jupiter erlebt Juno in diesem Jahr Höhen und Tiefen.
Es passiert nicht spektakulär viel auf der Handlungsebene des Romans. Aber für die Protagonist*innen bedeutet es die ganze Welt. Und gerade deswegen ist es wunderbar, Martina Hefters Prosa zu lesen. Vielleicht liegt es an dieser Körperspannung einer Ballettänzerin, die sich zur Leichtigkeit aufschwingt, dass dieser Text einen Zauber ausstrahlt wie kaum ein anderer. Hier lässt sich so vieles finden, was unser Leben als Menschheit heute ausmacht und auch, wie wir über den gesamten Globus hinweg miteinander verbunden sind. Und selbst die Lüge wird neu definiert oder konnotiert: Sind Fantasie & Erfindung als anthropologische Konstanten nicht per se Lügen und beginnt aber damit nicht alle Kunst?
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