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OLGA GRJASNOWA : Juli August September (Hanser Verlag) Foto: Valeria Mitelman
Mit ihrem Erstling "Der Russe ist einer, der Birken liebt" hat Olga Grjasnowa 2012 gleich einen großen literarischen Erfolg erzielt. Herkunftsort der Hauptperson ist wie in ihrem neuen Roman "Juli August September" Baku, die Hauptstadt Aserbaitschans, wo die heute in Wien lebende Autorin als Tochter einer russisch-jüdischen Familie geboren ist. Nach dem Ende der Sowjetunion gab es die Möglichkeit als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland zu emigrieren, wo sie den deutschen Pass erhielt, weil ihre "Familie von der Wehrmacht fast völlig ausgerottet und die jüdische Zuwanderung toleriert wurde" .(O.Grjasnowa, Künstler im Exil, 2019)
"Juli August September" ist autobiografisch angehaucht, aber keine Autobiografie. Das eigene Erleben ist eine Art Baukasten für den Roman, der sensibel und mit einer Portion Komik von einem modernen jüdischen Familienalltag in Berlin erzählt, bei dem zunächst einmal das Jüdischsein nicht allzusehr im Vordergrund steht. Lou und Sergej, das Paar im Zentrum des Romans, ist nicht religiös und im Gesellschaftsleben integriert. Doch als ihre kleine Tochter unvorbereitet von außen mit dem Holocaust konfrontiert wird, ist es unausweichlich, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Schrecken der Geschichte einer bislang unbeschwerten Kindheit vermittelt werden können. Was ist überhaupt jüdisch? Fast unmerklich gewinnt das Ringen um jüdische Kultur, als "Performance", wie sich Olga Grjasnowa ausdrückt, an Bedeutung. Es gehört zu den ausserordentlichen Leistungen dieses Romans,, wie alles, was wichtig ist, sich fast beiläufig, leicht, ins Geschehen einschleicht, auch die zunächst kaum spürbare Krise der Ehe. "Wir liebten einander noch immer und ... wurden uns immer fremder".
Auf Juli folgt August, und ausgerechnet in einem Ferienressort auf Gran Canaria findet ein Familientreffen statt, auf dem sich Lou, die Icherzählerin, etwas Aufklärung in der verworrenen Familiengeschichte erhofft. Eine Erzählung der Großtante über Vertreibung, Flucht im Zweiten Weltkrieg kontrastiert bizarr mit dem Touristenleben auf der Insel.
Im dritten Teil, September, macht sich Lou allein auf den Weg, um Licht in die Dunkelheit familiärer Vergangenheit zu bringen -und eine kleine Auszeit von Zuhause zu nehmen; sie fliegt nach Israel. Es ist eine Reise in ein ihr unbekanntes Land, und lakonisch stellt sie fest: "Niemand möchte, dass ich hierbleibe."
Olga Grjasnowas neues Buch trifft unerbittlich und doch charmant das Lebensgefühl unserer fragilen Zeit.
"Olga Grjasnowa ist das Beste, was unserer Literatur passieren konnte." (Denis Scheck)