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Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance schreibt ein Stück philosophischer Problemgeschichte und geht der Frage nach, »ob und inwiefern die Gedankenbewegung des 15. und 16. Jahrhunderts bei aller Mannigfaltigkeit der Problemansätze und bei aller Divergenz der Lösungen eine in sich geschlossene Einheit bildet«. Provoziert durch Jacob Burckhardts berühmte kulturhistorische Studie, die das philosophische Denken der Renaissance unberücksichtigt lässt, versucht Cassirer nachzuweisen, dass auch die Renaissancephilosophie Teil einer »geistigen Gesamtbewegung« ist und als systematische Einheit aufgefasst werden kann.
Cassirer nimmt Nikolaus von Kues zum Ausgangspunkt und widmet ihm, der für ihn auf Grund seiner erkenntniskritischen Methodik der erste moderne Denker ist, ein luzides Kapitel. Anschließend untersucht er die enorme Wirkung, die Cusanus' Lehre auf das italienische Geistesleben des Quattrocento ausgeübt hat. Die Starrheit der mittelalterlich-scholastischen Begriffe, die von den Denkern des 15. und 16. Jahrhunderts noch überall mitgeführt werden, beginnt sich in einem faszinierenden und keineswegs gradlinig verlaufenden Prozess zu lösen. Die gewandelte Beziehung zwischen Welt und Gott, die eine neue Freiheitsauffassung beinhaltet (Ficino), die Entdeckung des unendlichen Raums (Bruno), das neue Bild vom Menschen (Pico), die neue Auffassung von Kosmos und Natur (Leonardo, Kepler, Galilei) bewirken die Entstehung des spezifischen intellektuellen Selbstbewusstseins des Renaissance-Menschen, das am Beginn der Moderne steht.
Das 1927 veröffentlichte Werk entstand maßgeblich im Forschungszusammenhang der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Aby Warburgs, dem Cassirer sein Buch gewidmet hat.
Ernst Cassirer wird 1874 in Breslau geboren. Er studiert Jura, Literatur und Philosophie in Berlin, wechselt aber dann nach Marburg und schließt sich der Marburger Schule des Neukantianismus an. 1899 erfolgt die Promotion mit einer Schrift über Descartes bei Paul Natorp. Nach seiner Habilitation 1906 hält Cassirer als Privatdozent Lehrveranstaltungen in Berlin und folgt dann 1919 einem Ruf an die neugegründete Universität in Hamburg. Hier kommt es zu einer außerordentlich fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, in der der Grundstein für die Entwicklung seines Hauptwerkes Die Philosophie der symbolischen Formen gelegt wird. In diesem dreibändigen Werk (1923-29) wird der Entwurf einer systematischen Philosophie der Kultur unternommen. Dem Begriff der symbolischen Formen, in denen sich menschliches Erleben mit Hilfe z. B. von Sprache, Kunst, Mythen oder Wissenschaft ausdrückt, kommt dabei die Funktion zu, einen geistigen Bedeutungsgehalt mit einem sinnlichen Zeichen zu verknüpfen. Kultur ist in diesem Zusammenhang die Sinnschöpfung des Menschen durch Symbole, was dem Umstand Rechnung trägt, daß es auch primitivere Formen der Welterkenntnis gibt.
1933 emigriert Ernst Cassirer über England nach Schweden und nimmt die schwedische Staatsbürgerschaft an. Acht Jahre später übersiedelt er mit seiner Frau und drei Kindern nach Amerika, wo er bis zu seinem Tod 1945 verschiedene Lehrtätigkeiten ausübt.