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Hi, ich heiße Jürgen und bin aufgrund einer degenerativen Netzhauterkrankung inzwischen so scheel, wie ein Thunfisch in der Dose. In meinem Fall hat sich der Dosendeckel noch nicht ganz geschlossen, sodass ich helle Lichtquellen wahrnehmen und mitunter auch als Orientierungshilfe nutzen kann.
Keine Sorge liebe textbegleitende Augenpaare, für Sie besteht keine
Ansteckungsgefahr. Meinen 55. Geburtstag beging ich mit einem fröhlichen bunten Strauß Leute. Während ich mich unterhielt, tippte mir jemand auf die Schulter:
Glückwunsch du alte Netzhaut, kondolierte der Bunte und überreichte mir eine hohe schlanke Flasche und einen mit mehreren Bögen gefüllten Briefumschlag. Dann setzte er sich zwischen seine Frau und einen Freund und erklärte, das ist von uns Dreien, also von ihr, von ihm und von mir. Mach doch mal auf. Die Flasche? Ich dachte eher an den Umschlag. Bei aller Wertschätzung, ich werde jetzt nicht dir zu Ehren mit dem
Gucken anfangen. Er reichte Darling den Umschlag und forderte sie auf, lies doch mal bitte vor.
Der Bunte ist ein Fuchs, ging es mir durch den Kopf, er weiss um die Natur der Frauen und kann sich ziemlich sicher sein, dass es kaum ein Erdweibchen geben dürfte, das einem verschlossenen, üppig gefüllten Umschlag widerstehen kann, oder doch?
In diesem Fall konnte sich der Bunte auf die Kraft der Natur verlassen: Darling griff mit der Anmut einer Jurorin nach dem Umschlag, öffnete ihn und beförderte mehrere Dokumente ans Tageslicht. Die Spannung lag lastend über der Tischplatte und es war absolut ruhig, als alle auf die Worte and the winner is ... warteten.
Okay, vielleicht hat nicht jeder mit dem Wort des Oscar gerechnet, ich bin mir allerdings sehr sehr sicher, dass, ausgenommen des Geschenketrios, niemand die Worte Erlebnisgutschein für einen Tandemfallschirmsprung erwartet hatte.
Jürgen Borrmann, geb. 1959, ist Physiotherapeut und lebt in kinderloser Ehe in seiner Heimatstadt Düsseldorf. Seit früher Jugend zählt das Komponieren und die Songtexterei zu seinen kreativen Freizeitvergnügen. In der Schule machte sich Borrmann bei vielen Lehrern unbeliebt; sobald er etwas als ungerecht empfand, fiel er höchst undiplomatisch mit der Tür ins Haus und mischte sich ein. Das ist heute noch so, allerdings diplomatischer. In den 89/90ern engagierte er sich u.a. im Blinden- und Berufsverbandswesen, gründete mit Freunden die Initiative "Recht Gegen Rechts" und war auch anderwärtig im außerparlamentarischen Raum unterwegs. Seit 2004 sind seine Frau und er außerparteilich u.a. in den Bereichen Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Lärmschutzpolitik aktiv. Zu diesen und anderen Themen gibt das Paar seit etlichen Jahren unter www.fb-i-web.de das Online-Magazin "Der Stand der Dinge" heraus. 2006 wurden beide große Dartfans und spielen Elektro Dart an einem Board mit Sprachausgabe. Für Blinde sind Dart Turniere in der Halle oder im TV gut zu verfolgen, weil ein Caller die Punkte ausruft. 2009 stellte der Düsseldorfer, unterstützt von großartigen Musikern, sein erstes Soloalbum "Willkommen in ..." fertig. 2017 debütierte er als Buchautor mit "Blindflug 2014". Jürgen Borrmann macht kein Geheimnis daraus, dass das Buch nicht geplant war und wie es dennoch dazu kam: "Im Oktober 2014 fasste er auf drei Seiten für ein paar handverlesene Freunde und Bekannte einige Eindrücke meines ersten Tandem-Fallschirmsprungs zusammen. Offen gestanden verführte mich das ungewöhnlich positive Echo zu der Überlegung, die Zusammenfassung probehalber auszuweiten. So kam er in den Genuss der Freiheiten eines Buchautors, während dessen er als Songtexter meine Geschichte beispielsweise in drei Minuten erzählt haben muss. So unterschiedlich sie auch sind; er mag beide Disziplinen und beide schmecken nach mehr".